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Cannabis-Sucht: Ein Risiko für Patienten?

In einer vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenen Studie, der sogenannten CaPRis-Studie, aus dem Jahr 2018 wurde festgestellt, dass 6,1 % der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland in den zwölf Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert oder angewendet haben (1). Etwa 1 % dieser Altersgruppe wies eine Form von Cannabiskonsumstörung auf.

Prinzipiell kann jede Substanz, die eine psychotrope Wirkung hat, in unterschiedlichem Maße beim Konsumenten den Wunsch auslösen, die Einnahme zu wiederholen und so eine Abhängigkeit induzieren.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Pateinten, die medizinisches Cannabis einnehmen, Bedenken haben, durch ihre Therapie potenziell eine Cannabis-Sucht zu entwickeln. Aber wie ist Cannabis-Sucht genau definiert? Und wie hoch ist tatsächlich das Risiko einer Abhängigkeit für Patienten, die medizinisches Cannabis anwenden?

Definition von Cannabis-Sucht

Die Definition von Cannabis-Sucht ist durch ein festgelegtes Klassifikationssystem, dem ICD-10, vorgegeben. Bei diesem System handelt es dich um eine internationale statistische Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen, welche durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben wird und von den Vertragsärzten in Deutschland bei Diagnosestellung verwendet wird. Laut dem ICD-10 Klassifikationssystem wird Cannabis-Abhängigkeit als “Cannabiskonsumstörung” bezeichnet. Es gibt zwei Grade der Cannabiskonsumstörung:

  • Schädlicher Gebrauch von Cannabis
  • Cannabis-Abhängigkeit

Schädlicher Gebrauch von Cannabis

Schädlicher Gebrauch von Cannabis wird als ein Muster exzessiven Cannabisgebrauchs, der
körperliche oder psychische Gesundheitsschädigungen verursachen kann, definiert. Er wird dann je nach dem verursachten Schaden und den spezifischen Symptomen in weitere Kategorien eingeteilt. Eines der Kriterien ist zum Beispiel das Auftreten negativer sozialer Folgen aufgrund des Cannabisgebrauchs.(2)

Cannabis-Abhängigkeit

Die Cannabis-Abhängigkeit kann als eine schwerere Form des Cannabis-Missbrauchs betrachtet werden. Damit eine Cannabis-Abhängigkeit diagnostiziert werden kann, müssen drei der folgenden sechs Kriterien vorliegen(2):

  1. Starker Wunsch oder Zwang Cannabis zu konsumieren;
  2. Mangelnde Kontrolle des Konsums in Bezug auf Beginn, Ende und Menge;
  3. Körperliche Entzugserscheinungen;
  4. Toleranz;
  5. Vernachlässigung des alltäglichen Lebens, um sich auf den Konsum zu konzentrieren;
  6. Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen;

Was sind die Symptome des Cannabis-Entzugs?

Das Auftreten von körperlichen Entzugserscheinungen ist ein Kriterium für die Diagnose der
Cannabis-Sucht. Das Vorliegen einer Sucht nach Cannabis kann sich in Form von folgenden
Entzugssymptomen äußern (2):

  • Schlafstörungen
  • Reizbarkeit
  • Unruhe
  • Appetit-Störungen

Die Symptome des Cannabis-Entzugs sind in der Regel nicht schwerwiegend oder gar lebensbedrohlich. So gibt es keine dokumentierte Todesfälle oder schwerwiegende gesundheitliche Schäden, die auf einen Cannabis-Entzug zurückzuführen sind. Im Durchschnitt dauern die Entzugssymptome von Cannabis ein paar Tage an.(2)

Sucht nach medizinischem Cannabis

Nach der bereits erwähnten CaPRis-Studie leidet nur ein Teil derjenigen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, an einer Form der Cannabis-Sucht (2) . Bei denjenigen, die Cannabis aus therapeutischen Gründen anwenden, ist dieser Anteil noch geringer. Um zu verstehen, inwieweit Patienten, die medizinisches Cannabis anwenden, süchtig nach Cannabis werden können, ist es sinnvoll, zu prüfen, ob sie die oben aufgeführten Kriterien erfüllen.

Toleranz

Die Entwicklung von Toleranz ist eines der Hauptmerkmale jeder Substanzabhängigkeit. Mit der Zeit lässt die gewünschte Wirkung einer Substanz nach, und eine Erhöhung der Dosis ist erforderlich, um die gleiche Wirkung wie zuvor zu erzielen. Dies ist ein sehr häufiges Merkmal fast aller Substanzen, die auf das zentrale Nervensystem wirken, unabhängig davon, ob sie zu medizinischen Zwecken angewendet oder zu Freizeitzwecken konsumiert werden.(2) Zu den Substanzen, bei denen neben Cannabis eine Toleranzentwicklung auftreten kann, gehören u. a. Opioide (z. B. Morphin) und Benzodiazepine (etwa Valium®). Im Falle von Cannabis vergehen meist jedoch viele Monate oder sogar Jahre, bevor Patienten eine erhöhte Dosis benötigen, um eine ausreichende Wirksamkeit zu erhalten. (2)

Entzugserscheinungen

Entzugserscheinungen sind ebenfalls ein häufiges Phänomen bei Substanzabhängigkeiten.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der Substanzkonsum abrupt unterbrochen wird. Wenn ein
Patient Cannabis aus medizinischen Gründen anwendet, ist es wichtig, dass der Arzt abwägt,
ob eine Unterbrechung der Behandlung eventuell gesundheitliche Beeinträchtigungen und
nachteilige soziale Folgen haben kann. (2)

Starker Wunsch oder Zwang Cannabis zu konsumieren

Eines der Hauptsymptome für eine Substanzabhängigkeit ist nach ICD-10 der starke, ständige Wunsch, eine Substanz zu konsumieren. Dieser ist in der Regel trotz der schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit vorhanden. Bei medizinischem Cannabis ist dieser starke Wunsch jedoch zusätzlich mit der Tatsache verbunden, dass es die Symptome einer anderen Krankheit lindern kann. Der Wunsch eines Patienten, behandelt zu werden, ist gerechtfertigt, daher ist auch der Wunsch nach Cannabis in diesem Fall nicht unbedingt ein Zeichen für Sucht. (2)

Negative soziale Folgen

Bei Substanzmissbrauchsstörungen kann es vorkommen, dass der Betroffene seinen Konsum vor seiner Familie oder seinen Freunden verheimlicht. Die Befürchtung: Wenn er dies nicht tut, kann sein Drogenkonsum von seinen Familienmitgliedern und engen Freunden kritisiert werden. Beide Situationen können zu “negativen sozialen Folgen” führen. Beim Einsatz von medizinischem Cannabis hingegen wird nicht die Meinung des Umfelds des Patienten berücksichtigt, sondern vielmehr die tatsächlichen körperlichen und psychischen Auswirkungen auf den Patienten.(2)

Empfehlungen

Durch ein wirksames Risikomanagement können Probleme im Zusammenhang mit einer
potenziellen Abhängigkeit von Cannabis rechtzeitig sichtbar gemacht und abgefangen
werden. Dabei können die folgenden sechs Empfehlungen helfen, eine möglichst sichere
Cannabistherapie vorzunehmen (3):

  1. Beachtung des THC:CBD Verhältnisses Es ist bekannt, dass eine hohe THC-Dosis die Anfälligkeit für eine Abhängigkeit erhöhen kann. Gleichzeitig ist bekannt, dass CBD eine abhängigkeitsmindernde Wirkung haben kann. Daher ist es wichtig, dass der verschreibende Arzt das Verhältnis von THC zu CBD optimal einstellt, um die Entwicklung einer Abhängigkeit zu verhindern.
  2. Sichere Versorgung garantieren Patienten sollten unbedingt Zugang zu einem zuverlässigen medizinischen Cannabisprodukt haben. Der Schwarzmarkt birgt neben weitreichenden Risiken, wie z. B. der Illegalität oder Qualitätsunterschiede, auch den Gebrauch von chemisch behandelten Produkten.
  3. Entwicklung von Leitlinien für eine sicherere Therapie Ein geringerer täglicher Cannabiskonsum wird mit einer erhöhten Therapiesicherheit in Verbindung gebracht. Dies unterstreicht die Bedeutung der Entwicklung von Leitlinien für den medizinischen Cannabiskonsum. Aus einer Untersuchung kanadischer Ärzte und Wissenschaftler in Bezug auf den Freizeitkonsum geht auch die Empfehlung hervor, die unter anderem ausführt, Cannabis keinesfalls in jungen Jahren zu konsumieren.
  4. Screening von Patienten Die Faktoren, die eine Person anfälliger für eine Abhängigkeit von Medizinalcannabis machen könnten (z. B. früherer Substanzmittelmissbrauch, derzeitiger starker Freizeitkonsum von Cannabis) müssen unbedingt beachtet werden. Auch andere (psychische) Erkrankungen (z. B. Depressionen und Angstzustände) müssen bei der Verschreibung von medizinischem Cannabis berücksichtigt werden.
  5. Überwachung der Nutzung Eine regelmäßige Überwachung der Patienten bei der Anwendung von medizinischem Cannabis ist wichtig, um die Entwicklung einer Abhängigkeit vorzubeugen.
  6. Personalisierte Behandlung Eine Behandlung mit medizinischem Cannabis kann individuell gestaltet werden. Folgende Aspekte können je nach Krankheitszustand und individuellen Bedürfnissen angepasst werden:
    • Verhältnis von THC zu CBD
    • Häufigkeit der Einnahme
    • Art der Verabreichung
  7. Auch das Abhängigkeitsrisiko unterscheidet sich je nach Krankheit und Patient. Genetische Variationen der Cannabisrezeptoren und des Stoffwechsels spielen möglicherweise zukünftig eine Rolle.
  8. Abwägung zwischen Patientenbedürfnis und gesundheitlichem Risiko. Jegliches Risiko einer Abhängigkeit von medizinischem Cannabis muss im Vergleich zu alternativen Medikamenten abgewogen werden, von denen einige ihrerseits ein potenziell höheres Missbrauchspotenzial aufweisen. Bei der Verschreibung müssen Arzt und Patient gemeinsam diesen Kompromiss in Betracht ziehen, vor allem dann, wenn die Anwendung voraussichtlich langfristig stattfinden soll.

Schlussfolgerung

Cannabis-Sucht ist ein schwerwiegendes und reales Phänomen, von dem weltweit viele Menschen betroffen sind. Damit eine Diagnose gestellt werden kann, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Im Falle von medizinischem Cannabis ist es wichtig, bei der Diagnose einer Cannabis-Sucht die medizinischen Bedürfnisse von Cannabis-Patienten zu berücksichtigen. Außerdem kann das Risiko einer Abhängigkeit verringert werden, wenn die Anweisungen des verschreibenden Arztes strikt eingehalten werden.

Quellen

1. Cannabis: Potenzial und Risiken (CaPRis) [Internet]. [cited 2023 Jan 31]. Available from: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/cannabis- potenzial-und-risiken-capris.html

2. Müller-Vahl KR, Grotenhermen F. Cannabis und Cannabinoide: in der Medizin. 1. edition. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2019. 359 p.

3. Schlag AK, Hindocha C, Zafar R, Nutt DJ, Curran HV. Cannabis based medicines and cannabis dependence: A critical review of issues and evidence. J Psychopharmacol Oxf Engl. 2021 Jul;35(7):773–85.

4. Fischer B, Russell C, Sabioni P, van den Brink W, Le Foll B, Hall W, et al. Lower-Risk Cannabis Use Guidelines: A Comprehensive Update of Evidence and Recommendations. Am J Public Health. 2017 Aug;107(8):e1–12.

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